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ADHS und Binge-Eating Attacken: Warum so viele Menschen mit ADHS auch mit Binge-Eating zu kämpfen haben

Autorenbild: Lara BerrothLara Berroth

Aktualisiert: 17. Dez. 2024

ADHS kann ein Risikofaktor für die Entwicklung von Binge-Eating sein. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass Personen mit ADHS ein höheres Risiko haben, von Binge-Eating betroffen zu sein. Die Stärke der ADHS-Symptomatik steht dabei in Zusammenhang mit der Stärke der Binge-Eating Symptomatik. Welche Gründe es dafür gibt, möchte ich dir im heutigen Blog-Post vorstellen.


Biologische und genetische Faktoren

Sowohl ADHS als auch Binge-Eating gehen mit einer Dysfunktion des Belohnungssystems im Gehirn einher, besonders im Dopaminsystem. Einem ADHS-Gehirn stehen nur wenig Dopamin und GABA (das ist der wichtigste hemmende Neutrotransmitter) zur Verfügung. Viel zu essen triggert dabei das Gehirn, Dopamin freizusetzen. Durch Essen werden die Dopamin-Level erhöht und das Gefühl des Mangels wird befriedigt. Durch diese angenehmen Gefühle kann Essen euphorisch machen und zu einer süchtig machenden Art der Stimulation werden, um die Dopamin-Level zu steigern. Dabei liefern besonders zuckerhaltige Lebensmittel und einfache Kohlenhydrate schnell Dopamin an das Gehirn, was erklärt, warum diese bei Binge-Eating-Attacken oftmals die Lebensmittel der Wahl sind. Restriktive Verhaltensweisen, wie Diäten oder das Verbieten bestimmter Lebensmittel, können die Belohnungssensitivität noch erhöhen, sodass Essen nach Zeiten der Restriktion noch belohnender werden kann. Auch brauchen Gehirne von Personen mit ADHS länger zur Glucose-Aufnahme, was zu einem höheren Konsum von Zucker und einfachen Kohlenhydraten führen kann.


Kognitive Faktoren

Ein weiterer Faktor, der Binge-Eating-Attacken begünstigen kann, ist eine schlechte Interozeption. Was bedeutet Interozeption? Interozeption ist der Oberbegriff für die Wahrnehmung von Informationen nicht aus der Außenwelt, sondern aus dem eigenen Innenleben heraus. Beispiele dafür sind das Hunger- und das Sättigungsgefühl, welche bei Personen mit ADHS und Binge-Eating oftmals negativ beeinträchtigt sein können.

Impulsivität ist sowohl bei ADHS als auch bei Binge-Eating ein wesentliches Merkmal. Die Impulsivität macht die Kontrolle und die Beachtung der Konsequenzen der eigenen Handlungen schwieriger. Essen führt kurzzeitig immer dazu, dass man sich gut fühlt. Konsequenzen des Verhaltens werden dabei jedoch oftmals nicht mitgedacht, sodass es Betroffenen nach den Essattacken meistens schlechter geht als zuvor.

Auch das Planen von Essen und Entscheidungen um das Essen herum sind ebenfalls oft eine Herausforderung, was entweder zu impulsivem oder restriktivem Verhalten führen kann. Ebenso haben Menschen mit ADHS oftmals Probleme mit der Selbstregulation, was das Nicht-Essen bestimmter Lebensmittel und das Befolgen von Diäten zusätzlich erschwert und zu Überessen bzw. Binge-Eating führen kann.

ADHS kann Fähigkeiten der exekutiven Funktion, wie das Organisieren, das Planen und das Treffen von Entscheidungen, erschweren. Dann spricht man von einer exkutiven Dysfunktion. Diese kann dazu führen, dass das Erledigen bestimmter Aufgaben als sehr schwierig wahrgenommen wird. Personen mit ADHS und Binge-Eating haben dadurch oftmals Probleme mit durchgehender Aufmerksamkeit, Organisation, zielgerichtetem Handeln, der Kontrolle von Emotionen und der kognitiven Flexibilität.

Ein Hyperfokus kann auch in Bezug auf Essen vorliegen. Ein solcher zeigt sich beispielsweise dann, wenn eine Person keine bestimmten Lebensmittelgruppen isst oder zwanghaft bestimmte Zahlen, wie z.B. das Körpergewicht, Makronährstoffe oder die aufgenommenen Kalorien überwacht. Allgemein wird durch einen Hyperfokus das regelmäßige Essen dann auch oftmals einfach vergessen, was ebenso Binge-Eating-Attacken begünstigen kann.

Verhaltensspezifische Faktoren

Personen mit ADHS haben oftmals Probleme mit dem Schlafen und schlechte Schlafgewohnheiten können wiederum den Stoffwechsel fehlregulieren. Auch können eine schlechte Impulskontrolle und unregelmäßiges Essen zu einem Überessen beitragen. Durch Schwierigkeiten mit der Selbstregulation kann es für Betroffene außerdem schwierig sein festzustellen, was bereits gegessen wurde. Interessant ist ebenfalls, dass Personen mit überwiegend unaufmerksamen ADHS-Anteilen schlimmere Binge-Eating Symptome angeben als Personen mit überwiegend hyperaktiven/impulsiven Anteilen.

Ein Problem kann auch ein Alles-oder-Nichts Denken sein: Situationen werden sowohl bei Personen, die von Binge-Eating betroffen sind, als auch von Personen mit ADHS oftmals in Extremen wahrgenommen. Das Anwenden von Flexibilität und Mäßigung im Alltag kann zu Problemen führen. Wenn dann etwas vermeintlich Schlechtes oder Ungesundes gegessen wird, dann kann der ganze Tag ruiniert sein und es kann der Eindruck entstehen, dass jetzt auch schon alles egal ist, weil der Tag bereits verloren ist.


Emotionale Faktoren und fehlendes Selbstbewusstsein

Emotionales Essen ist auch ein wichtiger Faktor. Essen kann von Traurigkeit, Ärger, Überforderung, Nervosität und anderen negativen Emotionen entlasten. Durch das Essen kann man mit diesen negativen Emotionen zurechtkommen und sich trotzdem so fühlen, als hätte man alles unter Kontrolle. Ebenso kann Langeweile zu vermehrtem Essen führen. Ein ungesundes Verhältnis zum Thema Essen kann sich auch durch ein schlechtes Selbstwertgefühl und negative Selbstgespräche und Glaubenssätze entwickeln. Oftmals sind essgestörte Verhaltenweisen dabei intrinsisch mit dem Gefühl über den eigenen Platz in sozialen Strukturen verbunden und ob Personen sich durch ihr Umfeld akzeptiert fühlen oder nicht. Menschen mit Binge-Eating und ADHS haben oftmals mit Einsamkeit, Scham- und Schuldgefühlen zu kämpfen, welche zu einem geringen Selbstwertgefühl beitragen können. Ein geringes Selbstwertgefühl kann wiederum dazu führen, Symptome des Binge-Eatings und der ADHS zu verstetigen und zu verschlimmern.


All diese Faktoren können dazu führen, dass Personen mit ADHS und Binge-Eating Problemen oftmals in einem Binge-Restriktions-Zyklus gefangen sind.

ADHS Binge-Restriktions-Zyklus

Was meine ich mit diesem sperrigen Namen? Das Ganze kannst du dir so vorstellen: Du wachst morgens auf, nimmst deine ADHS-Medikamente ein und isst nur eine Kleinigkeit, z.B. einen Apfel. Dann machst du dich an die Arbeit und bist zur Mittagszeit noch so in die Arbeit vertieft, dass du das Essen vergisst bzw. es gerade einfach keine Priorität hat. Du nimmst dann wieder deine ADHS-Medikamente ein, die ja zusätzlich den Appetit unterdrücken. Am Nachmittag, wenn die Arbeitslast weniger geworden ist, erinnerst du dich dann wieder ans Essen und isst eine Kleinigkeit, wie einen Protein- oder einen Schokoriegel. Wenn du dann nach der Arbeit nach Hause kommst, bist du komplett ausgehungert. Da für Kochen nun keine Energie mehr da ist (vielleicht ist auch gar kein Essen im Haus)und du dich darauf auch nicht mehr konzentrieren kannst - der Hunger ist einfach zu groß - orderst du Fast Food oder isst irgendwas, was schnell geht. Du isst davon so viel, dass ein unangenehmes Vollegefühl entsteht. Es macht dich jedoch nicht lange satt, sodass du 1-2 Stunden später wieder zu Schokolade greifst und dich schuldig fühlst.


Ungefähr so sieht ein Binge-Restriktions-Zyklus aus. Der kann sich natürlich bei allen Menschen anders äußern, doch besonders Menschen mit ADHS sind in diesem Zyklus oft gefangen.



Gründe dafür sind:

  • Die ADHS-Medikamente verringern den Appetit

  • Durch den Hyperfokus wird das Essen vergessen

  • Sich für etwas zu Essen zu entscheiden bzw. Essen zu machen, wirkt überfordernd

  • Du hast gefühlt zu wenig Zeit

  • Exekutive Aufgaben, wie Kochen oder Lebensmittel zubereiten, werden vermieden

  • Durch die schlechte Interozeption werden Hunger- und Sättigungssignale nicht richtig wahrgenommen

  • Diäten oder ein Verbot bestimmter Lebensmittel

Diesem Kreislauf kannst du nur entkommen, wenn du über den Tag verteilt regelmäßig in ausreichenden Megen isst. Wenn du den ganzen Tag über nichts oder zu wenig isst, dann ist es viel wahrscheinlicher, dass es am Abend zu Heißhungerattacken kommt. Denn dann wird dein Körper sich die Energie holen, die er tagsüber zu wenig bekommen hat. Wichtig ist außerdem, dass du dich damit auseinandersetzt, warum es zu diesen Heißhungerattacken kommt. Denn diese haben nichts mit fehlender Selbstkontrolle oder Willensstärke zu tun. Vielleicht nutzt du Essen als Ventil, um deine negativen Emotionen zu verarbeiten. Vielleicht brauchst du einfach nur Stimulation und hast dir angewöhnt, zur Stimulation zu essen anstatt andere Sachen zu machen. Oder du isst wie oben beschrieben den Tag über einfach zu wenig und zu unregelmäßig.


Doch wie solltest du nach einer Binge-Eating-Attacke handeln?


Nach einer Binge-Eating-Attacke

  1. Anstatt Mahlzeiten auszulassen, iss etwas. Auch wenn du dich nicht hungrig fühlst braucht dein Körper trotzdem Nahrung. Regelmäßiges Essen kann dir außerdem dabei helfen, den Binge-Restriktions-Zyklus zu durchbrechen.

  2. Anstatt Lebensmittel zu verteufeln, erlege dir keine Verbote auf. Wenn du bestimmte Lebensmittel als schlecht verteufelst, gibt dir das ein falsches Gefühl der Kontrolle über dein Essverhalten und sorgt ebenso dafür, dass du weiter im Binge-Restriktions-Zyklus gefangen bleibst.

  3. Anstatt immer wieder zeitlich begrenzt restriktiv zu diäten, verändere deinen Lebensstil. Diäten sind immer mit Verzicht verbunden und werden früher oder später zu einer Heißhungerattacke führen. Dein Körper kennt keinen Unterschied zwischen realem Verhungern und dem bewussten Einschränken der Kalorienaufnahme. Mit einem Binge-Eating-Anfall nach einer restriktiven Phase holt dein Körper sich die Nahrung, die er nicht in ausreichendem Maße bekommen hat. Deinem Körper zu vertrauen und deinen Lebensstil zu ändern, anstatt deinen Körper restriktiven Diäten auszusetzen, hilft dir, mit dem Diäten aufzuhören und verbessert außerdem dein Selbstbewusstsein.

  4. Anstatt dich mit Sport zu bestrafen, habe Spaß an Bewegung. Du musst nicht alles "verbrennen", was du gegessen hast oder Sport machen, um dich für einen Binge-Eating-Anfall zu bestrafen und dir Essen zu verdienen. Bewege dich, weil es dir Spaß macht, dir Energie gibt, Stress abbaut und deinem ADHS-Gehirn hilft, sich besser zu fokussieren. Finde die Art der Bewegung, die dir Freude macht und zwinge dich nicht zu Sportarten, bei denen du keine Freude sondern eher Qual empfindest.


Fazit

Viele Personen mit ADHS haben auch mit Binge-Eating zu kämpfen. Gründe dafür sind biologische und genetische Faktoren (wie z.B. Neurotransmitter-Störungen im Gehirn), kognitive Faktoren (z.B. Impulsivität oder eine schlechte Interozeption), verhaltensspezifische Faktoren (u.a. ein Alles-oder-Nichts Denken) oder emotionale Faktoren (wie Wut, Traurigkeit, Ärger) und ein fehlendes Selbstbewusstsein. Betroffene sind dabei oftmals in einem Binge-Restriktions-Zyklus gefangen, in dem sich Überessen mit Nicht-Essen abwechselt. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur, wie z.B. das Unterdrücken des Hungergefühls durch die Einnahme von ADHS-Medikamenten oder Diäten bzw. restriktive Ernährungsweisen. Anstatt nach einem Binge-Eating-Anfall Mahlzeiten auszulassen, iss etwas. Anstatt Lebensmittel zu verteufeln, iss alle Lebensmittel, die du essen möchtest. Anstatt immer wieder restriktiv zu diäten, verändere deinen Lebensstil. Und anstatt dich mit Sport zu bestrafen, habe Freude an Bewegung.


Wenn du Probleme mit deinem Essverhalten bekämpfen willst, bin ich als Fitness- und Ernährungscoach für dich da. Ich bringe dir ADHS-freundliche Wege bei, wie du dein Essverhalten und dein Verhältnis zum Essen verbessern kannst, sodass Binge-Anfälle bald der Vergangenheit angehören.









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